Was ist Lernen?



Erforschendes Lernen, Fotos: Heidrun Drescher-Ochoa
„Das ganze Leben ist ein Lernprozess. Beginnen Sie damit, Belohnungen und Strafen abzuschaffen. Keine Noten, keine Vergleiche, kein Wettbewerb, keine Preise. Helfen Sie jedem Schüler dabei, sein eigenes Lernprogramm zu erstellen, das ihn herausfordert und fördert. Ermutigen Sie ihn, Projekte anzunehmen und Portfolios zu erstellen. Geben Sie ihnen den Raum und die Freiheit, Fehler zu machen, und verurteilen Sie sie nicht, wenn sie Fehler machen. Fördern Sie ihre Begeisterung, damit sie ihre Talente entdecken und herausfinden, was sie gerne tun. Unterstützen Sie sie beim Bestehen von Prüfungen, wenn sie dies wünschen, aber vergessen Sie nicht, dass es im Leben mehr gibt als das Aneignen und Überprüfen von Wissen – diese Art von Wissen ist immer begrenzt und immer messbar, während das Leben unbegrenzt und unmessbar ist. Tun Sie dies in einer Atmosphäre der freundlichen Gleichberechtigung.“
„Wenn man jeden Morgen eine Zeit lang gemeinsam still dasitzt, als ganze Schule, beginnt das Wirkung zu zeigen. Natürlich werden alle selbstreflektierter, alle können besser auf andere achten, anderen zuhören, von anderen lernen. Wenn man eine Schule schafft, in der Selbsterkenntnis geschätzt und Selbstreflexion gefördert wird, dann geschieht etwas ganz anderes.“
~ Krishnamurti ~

Der Lehrer als Lernbegleiter, Foto: Heidrun Drescher-Ochoa
Lernen, verstanden als „aneignende Tätigkeit“ (Arnold), bedeutet für Schülerinnen und Schüler, Wissensinhalte zu de- und rekontextualisieren. Angesichts der diversen Erwartungen und Voraussetzungen der Lernenden ist eine Offenheit hinsichtlich Lernwegen, Methoden und Zugängen geboten. Lernarrangements sollten so vorbereitet werden, dass sie den inneren Mustern und den lernbiographischen Prägungen der Lernenden entsprechen und diese zur eigenaktiven Beschäftigung befähigen. Selbstgesteuertes Lernen, Kooperation mit Lernpartnern und problemorientierte Aktivitäten erweisen sich hierbei als besonders zielführend.
Die Bildung des ganzen Menschen ist oberstes Ziel: Der Mensch ist ein lebendiges Wesen mit kreativem Bewusstsein und dem Willen, sein Leben in Selbstkenntnis sinnvoll zu gestalten. „Wer ein Warum zum Leben hat, findet auch das Wie.“ (Viktor E. Frankl)
Die Schülerinnen und Schüler sind selbst verantwortlich für ihre einzigartige Potenzialentfaltung, ihr forschendes Lernen und ihr Handeln — nicht im Sinne von Belohnung oder Bestrafung, sondern aus innerer Motivation. Sie wirken individuell und gemeinsam an der Umsetzung der humanistischen Ziele der Lern- und Wertegemeinschaft mit. Jede Schulklasse gleicht einem Puzzle, das auf die Stärken und Schwächen der Einzelnen angewiesen ist, um im Lernprozess optimale Leistungen zu erzielen; daher sind alle Lernenden potenziell gleichberechtigt und verdienen gleichermaßen Wertschätzung.
Eine Haltung der Achtsamkeit aller Akteurinnen und Akteure des lernenden Organismus im Kontext von Natur und Gesellschaft schafft Klarheit und eröffnet „in dem Raum zwischen Reiz und Reaktion“ (Frankl) die Möglichkeit, frei von egoistischen Motiven zu denken, zuzuhören, in den Dialog zu treten und zu handeln.
Achtsamkeitskriterien geben Orientierung und können einen Paradigmenwechsel ermöglichen.Die Lernbegleitung richtet ihr Augenmerk darauf, was ein Kind braucht, um in Eigenverantwortung zu kommen, und tritt in Respekt vor der Würde des jungen Menschen in eine gleichwürdige Beziehung — denn „der Mensch ist ein Bergwerk reich an Edelsteinen von unschätzbarem Wert.“ (Bahá’u’lláh). Sie schaut nicht auf die Defizite (Raupe) des Kindes, sondern auf seine Potenziale (Schmetterling), versucht als Transformator „Minus“ in „Plus“ zu verwandeln und setzt auf die Entscheidungskraft des Kindes, seine persönlichen Freiräume zu nutzen.